Vor heute genau 40 Jahren, am 01. August 1983, habe ich meine Lehre als Fotograf in einem Meisterbetrieb in Emden begonnen. Für mich mal ein Anlass, ein kleines Resümee zu ziehen.
Ich will Fotograf werden!
Angefixt durch meinen Vater, der ein leidenschaftlicher Familienfotograf war, und durch die Foto-AG an meiner Schule, stand mein Entschluss fest, Fotograf werden zu wollen. Durch glückliche Umstände war ich dann auch mal zur richtigen Zeit am richtigen Ort, nämlich bei einer Redaktionsbesichtigung der örtlichen Zeitung, die gerade jemanden für die Laborarbeit suchte, weil der damalige Fotograf gekündigt hatte. So bekam ich dort einen Fuß in die Tür – was sich auch später noch auszahlen (wortwörtlich) sollte.
Der erste Dämpfer kam vom Arbeitsamt (so hiess das Teil damals noch, hatte aber auch keine anderen Aufgaben, als das heutige Pendant), als mir der nicht sehr fähige Berater sagte, dass es in Ostfriesland keine Ausbildungsstellen als Fotograf gäbe. Ich müsse schon nach Bremen, Oldenburg oder Hamburg gehen. Und das, obwohl sich in Emden an der Berufsschule die Fotografenklasse befand. Warum gerade das dem Arbeitsamtsmitarbeiter nicht bekannt war, weiss ich nicht. Der dort zuständige Lehrer der BBS II Emden gab mir eine Liste aller Meisterbetriebe und ich nahm mir vor, alle zu besuchen, um eine Lehrstelle zu bekommen.
Doch dazu kam es gar nicht. Gleich bei „meinem“ Fotohändler in Emden hatte ich Erfolg und bekam eine Lehrstelle. Allerdings nicht sofort, sondern erst ein Jahr später. Die Zeit habe ich dann genutzt, die 12. Klasse mit Fachabi abzuschliessen, was ja dann auch nicht ganz so schlecht war, denn dadurch wurde meine Ausbildungszeit um ein halbes Jahr verkürzt.
Die Lehre beginnt
Am ersten Arbeitstag wurde ich vom Chef begrüßt und er fuhr mich zu einer Aussenstelle des Betriebs, in der dieser ein eigenes Farblabor besass. Dieses war dann für zwei Jahre mein Arbeitsplatz. Am Ende der Zeit konnte ich Farbfilme entwickeln, Farb-Handabzüge erstellen, war in der Lage ohne technische Hilfsmittel die korrekten Filterwerte am Vergrößerer einzustellen und lernte auch das Ausflecken von Farbbildern. Eigentlich hört sich das jetzt eher nach einer Lehre als Fotolaborant an.
Kleine Anekdote am Rande: Wir arbeiteten dort stets durch, ohne große Pause. So konnten wir die Arbeit schnell erledigen und waren in der Regel gegen 14:00 Uhr bereits fertig. In Absprache mit dem Chef durften wir dann Feierabend machen, die Stunden wurden aufgeschrieben und am Ende der Abrechnung hatte man vielleicht zwei oder drei Tage vom Urlaub eingebüsst. Das kam mir natürlich bei der Arbeit in der Zeitungsredaktion entgegen, wo man dann schon dringend auf die Entwicklung der Filme wartete.
Für das letzte halbe Jahr kam ich dann ins Ladengeschäft und durfte gelegentlich mal im Studio zusehen oder bei Abwesenheit der Fotografen selbst Passbilder machen. Im Studio selbst habe kaum gearbeitet, ich war eher im Verkauf eingesetzt, was mir auch keine Zeit liess, im Studio den Fotografen über die Schulter zu schauen. Zudem stand ja auch die Gesellenprüfung an und ich musste mein Gesellenstück auch noch anfertigen. Daneben durfte ich dann auch noch im Schwarzweiss-Labor, welches den Charme eines sehr vernachlässigten Hobbylabors hatte, Passbilder vergrößern oder s/w-Handabzüge machen.
Der Betrieb hatte den regelmässigen Auftrag, Schiffe, die in den Emder Werften gebaut wurden, u.a. bei ihrer Jungfernfahrt aus der Luft zu fotografieren – leider wurde meine Bitte, dort einmal mitzufliegen zu dürfen und dabei auch etwas zu lernen, abgelehnt. Schade, denn heute weiss ich wie spannend Luftbilder sind und vielleicht hätte ich mich ja auch darauf spezialisiert.
Nur negative Erinnerungen?
Das alles klingt jetzt wirklich komplett negativ und der geneigte Leser fragt sich, warum ich dann dort die Lehre nicht abgebrochen habe. Zu der Zeit war ich einfach stolz, dort zu arbeiten und es hat mit den Kolleginnen und Kollegen auch viel Spass gemacht. Das, was ich gelernt habe, war sehr intensiv und hat mir viel gebracht. Farbabzüge konnte ich perfekt anfertigen und die beiden alten Fotografen waren am Retuschepult hervorragende Lehrer. Viele der Techniken konnte ich später auch digital in Photoshop anwenden, weil ich z.B. die Grundlagen der Retusche und der Farben von der Pike auf gelernt hatte.
Die Arbeit mit Schwarzweiss-Materialien erlernte ich aber eher durch meine Arbeit im Fotolabor der Zeitung.
Das liebe Geld
Das Lehrlingsgehalt war nicht gerade üppig. Ich habe öfter neidvoll auf meine Freunde geschaut, die in Emden im VW-Werk eine Ausbildung machten und weit über 1.000 D-Mark im Monat bekamen. Mein Lehrlingslohn betrug 1983 – 1986
- – im 1. Lehrjahr 1983 DM 270,- / mit Inflationsausgleich heute 297,42 €
- – im zweiten 1984 DM 300,- / mit Inflationsausgleich heute 319,91 €
- – im letzten DM 1985 330,- / mit Inflationsausgleich heute 351,90 €
Heute sieht das alles etwas anders aus denn es gibt inzwischen einen Azubi-Mindestlohn.
Der beträgt 2023 620,- € brutto im ersten Ausbildungsjahr. Im darauffolgenden Jahr erhöht sich das Gehalt auf 732,- € und im letzten Ausbildungsjahr gibt es mindestens 837.- € brutto pro Monat. Steuern müssen davon keine gezahlt werden, es werden aber die Sozialabgaben abgezogen (Stand ohne Gewähr: Juli 2023). Ehrlich gesagt ist das im Prinzip heute immer noch wenig Lohn bzw. Ausbildungsvergütung, aber wenigstens ist es besser als nichts.
Große Sprünge waren da aber damals nicht drin. Vor allem, wenn man sich auch mal eine gute Ausrüstung leisten wollte. Zu meinem Glück – und da komme ich auf die oben bereits erwähnte Tageszeitung zurück – war da ja noch der Nebenjob, der sich irgendwie verselbstständigte. Die Redakteure erfuhren, dass ich Fotograf bin (bzw. mich in der Ausbildung zum Fotografen befinde) und schickten mich auch mal zu Fototerminen. Besonders am Wochenende waren Fotografen gefragt, da der Lokalsport einen großen Bereich einnahm und von vielen Spielen auch Fotos benötigt wurden. Und so kam es dann, dass ich damals mit der Tätigkeit als freier Fotograf bereits mehr Geld verdiente, als in meinem Ausbildungsbetrieb. Dass ich für die Tätigkeit als Pressefotograf eigentlich keine Ausbildung benötigte, wusste ich (zum Glück!) damals noch nicht.
Die Ausbildung zum Fotografen habe ich im Januar 1986 mit der Prüfung vor der Handwerkskammer erfolgreich abgeschlossen.
Kurzer Ausflug: Die Tätigkeit bei der Lokalzeitung entwickelte sich im Laufe der Zeit derart, dass ich am Wochenende meistens auf den Sportplätzen in und um Emden herum als freier Mitarbeiter unterwegs war. Am Ende meiner immerhin acht Jahre dauernden Soldatenzeit konnte ich dann bis 2003 als sogenannter fester freier Fotograf in Vollzeit arbeiten und war so über 20 Jahre für die Zeitung tätig.
Rückblick
Dass vieles in meiner Lehre nicht das war, was einem eigentlich von einem Lehrbetrieb an die Hand gegeben werden sollte, ist mir erst viel später bewusst geworden, als ich selbst als Fotograf gearbeitet habe. Da erst erkannte ich, was mir alles fehlte und ich musste es mir selbst beibringen. Das hat mich letztendlich dann auch irgendwie den Schritt in die Selbstständigkeit mit einem eigenen Studio gekostet. Ich hatte ein Angebot des Fotografen, der früher bei der Zeitung seinen Job als Pressefotograf aufgegeben hatte und inzwischen ein sehr gut gehendes Fotostudio in der Stadt führte. Wir hatten immer ein freundschaftliches Verhältnis zueinander und er wollte gerne, dass ich sein Studio übernehme, da er sich zur Ruhe setzen wollte. Aufgrund meiner mangelnden Ausbildung in der Studiofotografie habe ich letztendlich abgesagt. Aber auch, weil ich zu der Zeit eine recht gut bezahlte Tätigkeit als Fotograf hatte. Das Studio gibt es heute nicht mehr, ein Nachfolger wurde nicht gefunden.
Mein Fazit aus heutiger Sicht
Wenn ich heute eine Lehre in einem Meisterbetrieb machen würde, wäre ich kritischer und würde mir ganz genau anschauen, was und wie in dem Betrieb ausgebildet wird. Zwei Jahre in einem Fotolabor arbeiten waren zwar insofern gut, dass ich im Labor allen was vormachen konnte, aber dafür konnten die anderen mir vormachen, wie man im Studio arbeitet, und dort ist nunmal der Arbeitsplatz eines Fotografen. Das fehlende Wissen musste ich mir später selbst beibringen, denn auch die Berufsschule, die man sowieso nur einmal in der Woche besuchen musste, kann so etwas auch nicht vermitteln.
Heute würde ich einen anderen Weg gehen, auch, wenn das die Handwerksbetriebe jetzt nicht so ganz gerne hören werden. Ich würde ein Studium zum Fotodesigner anstreben, obwohl ich die so ausgebildeten Fotodesigner stets belächelt hatte. Alleine die Praktika, die dort gemacht werden, geben einen hervorragenden Einblick in die Arbeitswelt nicht nur eines Betriebes. Zudem knüpft man dort wesentlich mehr Kontakte und kann sich durch seine Arbeiten empfehlen. Das kann man anders bewerten, wenn man im Anschluß vom Betrieb übernommen wird, aber in meinem Fall kam der Wehrdienst direkt im Anschluss und der Betrieb übernahm sowieso keine Lehrlinge.
Aber ob man sich nun Fotodesigner, Fotografengeselle oder gar Fotografenmeister nennt: Fotograf wird man nicht nur durch seine Ausbildung, die gibt einem lediglich das Rüstzeug (und den Titel) mit. Talent, Kreativität, Engagement und manchmal auch Durchsetzungsvermögen sind nur einige der Dinge, die ein guter Fotograf haben muss. Und es gibt auch durchaus Autodidakten, die hervorragende Arbeiten abliefern.
Titelfoto / Beitragsbild: Sönke Dwenger.